SEHENSWERTES
Die hier aufgeführten Filme gehören zu meinen ganz persönlichen Liebeleien und erheben keinen Anspruch auf "allgmeines Wohlgefallen"
Bab Aziz – The Prince who contemplated his Soul
(Tanz des Windes)
Nace Khemir – 2005
Isthar, ein lebensfrohes Mädchen, und Grossvater Bab'Aziz, ein blinder Derwisch, sind unterwegs ans grosse Derwisch-Treffen, dessen Ort sich aber nur jenen offenbart, die mit dem Herzen der unermesslichen Stille der Wüste zu lauschen vermögen. Auf dem Weg begegnen sie anderen: Osman, der sich nach den schönen Mädchen verzehrt, die er am Grunde eines Brunnens gefunden hat; Zaid, der mit seinem Gesang eine hinreissende Frau verführt und wieder verloren hat; dem Prinzen, der sein Reich aufgibt, um Derwisch zu werden. Nacer Khemir taucht ein in eine mystische Welt, die sich vom Iran bis in den Maghreb erstreckt und bis nach Andalusien. Er führt auf dem Weg durch die Wüsten vor Augen, wie im Zentrum des Sufismus die Liebe steht, jenes Wort, für das die arabische Sprache allein sechzig verschiedene Begriffe kennt. In Bab'Aziz singt er uns in einem ausgesprochen musikalischen Sinn eine Ode an die Wüste und die Sehnsucht nach Liebe.
Sprache: OV Arabisch
Untertitel: Deutsch, Französisch, Englisch
Dauer: 98 Min.
FSK 12+
Bonus: Nacer Khemir – Erzähler (45 Min.)
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Nachtmeerfahrten
(Eine Reise in die Psychologie von C.G. Jung)
Rüdiger Sünner – 2011
In vielen Mythen muss der Held eine sogenannte Nachtmeerfahrt durchmachen, in der er rätselhaften Wesen und gefährlichen Situationen begegnet. Der Psychologe Carl Gustav Jung (1875 – 1961) ging selbst auf eine solche Entdeckungsreise und befragte die Welt der Symbole und Archetypen afu ihre Bedeutung für unser Leben. Jung begab sich in Gefahrenzonen, aber er entdeckte vor allem den schöpferischen Reichtum unseres Unbewussten – das heilende Potential der Archetypen und Symbole, das uns, bei richtigem Umgang, zu einem vollständigeren Leben führen kann; "Das einzige lebenswerte Abenteuer kann für den modernen Menschen nur noch innen zu finden sein." (C.G. Jung)
Sprache: Deutsch
Untertitel: Englisch
Dauer: 70 Min.
FSK 14
Bonus: Interview Verena Kast, Professorin für Psychologie (22 Min.)
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A Dangerous Method (Eine dunkle Begierde)
(Historisches Filmdrama über die Affäre C.G. Jungs und seiner Patientin Sabina Spielrein)
David Cronenberg – 2011
Der an Tatsachen angelehnte Film zeigt die Affäre zwischen C.G. Jung und seiner Patientin Sabina Spielrein und thematisiert in diesem Zusammenhang die Bekanntschaft und fachliche Auseinandersetzung zwischen Jung und Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse.
Im Jahr 1904 wird die jüdische Russin Sabina Spielrein wegen hysterischer Renitenz in die Züricher Klinik Burghölzli eingeliefert. Ihre Behandlung übernimmt der 29jährige Psychotherapeut Carl Gustav Jung. Inspiriert durch die ihm bekannte Arbeit Sigmund Freuds, möchte er auf der Grundlage langer Gespräche mit der Patientin eine neue Behandlungsmethode erproben. Die achtzehnjährige Sabina Spielrein lässt sich auf das Experiment ein. Während der Gespräche wird Jung einerseits die außerordentliche Intelligenz und Begabung seiner attraktiven Patientin deutlich. Er gewinnt aber auch Einblicke in die dunklen Ursprünge ihrer Störung. Die von ihrem autoritären Vater Gedemütigte und Geschlagene gesteht ihm zu seiner Irritation, dass ihr die auf das entblößte Gesäß ausgeführten Schläge Lust bereitet hätten.
Da Sigmund Freud die Triebstrukturen psychischer Störungen untersucht, nimmt Jung wegen der Fallgeschichte Spielrein zunächst brieflichen Kontakt auf. Sie korrespondieren mit wachsendem, gegenseitigem Interesse. Zwischen beiden entwickelt sich ein langes Gespräch, in welchem Freud mit ebenso bedächtigen wie sachlichen und souveränen Überlegungen zur Erörterung des Falles beiträgt. Zugleich erkennt er durch einen von Jung erzählten Traum das Moment einer verborgenen, unerfüllten sexuellen Sehnsucht. Der mit der schwangeren Emma verheiratete Jung will sich jedoch seine heimliche Zuneigung für Sabina zunächst nicht eingestehen. Erst die Begegnung mit dem Kollegen Otto Gross, um dessen Behandlung ihn Freud gebeten hat, eröffnet ihm den eigentlichen Impuls seines Interesses für die Patientin. Während C.G. Jung seine Gewissenskonflikte verdrängt, leidet das Verhältnis zwischen ihm und Freud zunehmend durch Diskrepanzen hinsichtlich der wissenschaftlichen Auffassungen. Aus ethischem Verantwortungsbewusstsein überdenkt der enttäuschte Jung seine berufliche Situation und beendet das Verhältnis mit Sabina Spielrein. Am Ende wird Spielrein Freuds Patientin und schließlich ihrerseits Analytikerin.
Sprache: Englisch/Deutsch
Untertitel:
Dauer: 100 Min.
FSK 16
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Nokan
(Die Kunst des Ausklangs)
Yojiro Takita – 2008
Nach der Auflösung seines Orchesters platzt Daigo Kobayashis Traum vom Leben als Musiker. Denn die Raten des 18 Millionen Yen teuren Violincellos kann er ohne Job nicht bezahlen und ist deshalb gezwungen, das geliebte Instrument zu verkaufen. Frustriert verlässt er Tokio und begibt sich, mit seiner Frau Mika im Schlepptau, in seinen Geburtsort im Norden Japans zurück. Zwar gibt es hier kein Orchester, aber eine Firma die überraschenderweise auch Ungelernte wie ihn als "Reiseleiter" engagiert. Es stellt sich heraus, dass es sich hierbei um die "letzte Reise" handelt und die Firma spezialisiert ist auf das zeremonielle Herrichten von Leichen. Doch ein außergewöhnlich hoher Vorschuss und beruhigende Worte des Geschäftsführers Ikuei Saseki überzeugen Daigo davon, den Job anzunehmen.
Die stilisierte Zeremonie des Aufbahrens, die in Anwesenheit der Trauernden vollzogen wird, ist das Leitmotiv des Films. In langsamen Gesten erfahren Familienangehörige und Zuschauer eine würdevolle Transformation, die die Zeichen des Lebens und des Todes beheben. Immer wieder sieht Daigo während des Aufbahrens, wie wichtig das Ritual für die Bewältigung der Trauer der Hinterbliebenen ist und wird sich seiner Rolle als Medium zwischen Lebenden und Toten bewusst. Und natürlich hat auch Daigo eine ganz persönliche Trauer zu verarbeiten, vom Vater im frühen Kindesalter verlassen, bleiben ihm nur noch vage Erinnerungen – und eben das Cellospiel. Dass Daigos Berufswahl persönliche Probleme und Unannehmlichkeiten mitbringt, ist aber nicht nur auf Überwindungen zurückzuführen, die sich mit seiner Tätigkeit verbinden. Seine Entscheidung diesen Beruf aufzunehmen hat in der japanische Kultur weitreichende Folgen, denn Daigo begibt sich freiwillig in eine seit Jahrhunderten bestehende untere Kaste: die burakumin, die sich um Leichen und Kadaver kümmern und damit als unrein gelten. Damit hat auch seine Frau Mika ihre Mühe und stellt ihn vor eine Entscheidung, als sie erfährt, was Daigo wirklich arbeitet.
Der Film durchdringt die uralten Stigmata in dem er sich die Zeit nimmt ein wunderschönes Ritual zu zeigen. Immer wieder werden in intimen Bildern die vielen mit Sorgfalt ausgeführten Handgriffe beobachtet. Selbst als Zuschauer wandelt sich die anfängliche Abneigung bald in Faszination.
Sprache: Deutsch/Japanisch
Untertitel: Deutsch
Dauer: 130 Min.
FSK 12
Bonus: Interview mit Takita (16 Min., Englisch, ohne Untertitel)
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Kirschblüten
(Hanami)
Doris Dörrie – 2008
Der Film beginnt mit einer ebenso liebevollen wie ernüchternden Bestandsaufnahme einer Ehe, über der das Damoklesschwert des nahenden Todes schwebt. Rudi und Trudi sind seit vielen Jahren ein Paar, die Kinder sind längst aus dem Haus und man hat sich miteinander arrangiert, es sind vor allem die kleinen Rituale und Handreichungen, die das Zusammenleben bestimmen – die Hausschuhe, die Trudi mit beinahe zärtlicher Geste ihrem von der Arbeit heimgekehrten Gatten reicht, die gemeinsame Sorge um die Kinder, die allesamt anderswo leben und sich viel zu selten blicken lassen, der Apfel, den Rudi stets seinem Arbeitskollegen schenkt, obwohl er selbst keinen Tag ohne den Spruch "An apple a day keeps the doctor away" vergehen lässt.
Was Rudi allerdings nicht weiß, wohl aber seine Frau: Er hat nicht mehr lange zu leben, Krebs lautet die Diagnose, um die aber nur Trudi weiß – sie will, wie stets in ihrem Leben, ihren Mann schonen, die Unbill des Lebens und Sterbens von ihm fernhalten. Und so machen sich die beiden auf zu einer letzten Reise zu den Kindern, die zum größten Teil in Berlin leben. Karl allerdings, Mamas Liebling hat sich noch weiter von der Familie entfernt, er lebt in Japan und ein Besuch dort ist ein seit langem bereits unerfüllter Traum. Da die beiden in die Jahre gekommenen Eltern in Berlin nur zur Last fallen und auf die Nerven gehen, drängt Trudi zur Weiterfahrt an die Ostsee, sie will ihrem Mann noch einmal das Meer zeigen, bevor er stirbt. Doch dann geschieht das Unfassbare – es ist nicht Rudi, der eines Morgens tot im Bett liegt, sondern seine Frau.
Wie – so fragen sich nun alle – soll ausgerechnet der verschrobene und unselbstständige Rudi alleine zurecht kommen, wer der Kinder soll sich um ihn im fernen Bayern kümmern? Auch der Verwitwete selbst findet sich mit der neuen Situation nur sehr schlecht ab – zumal er nicht weiß, dass ihm selbst nicht mehr viel Zeit bleibt. Ihn plagt auch das schlechte Gewissen, als er erkennen muss, wie viel Trudi Zeit ihres Lebens für ihn geopfert hat, worauf sie alles verzichtet hat. Da war beispielsweise ihre Leidenschaft für den japanischen Butoh-Tanz, die sie vor allem Rudi zuliebe niemals weiter verfolgte. Rudi macht sich auf den Weg nach Japan um seinen Sohn Karl zu besuchen. Und ausgerechnet dort, in der Fremde, die er sonst stets hasste, gelingt es ihm, seiner verstorbenen Frau wieder ganz nahe zu kommen…
Sprache: Deutsch
Untertitel:
Dauer: 122 Min.
FSK 12
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Mr. Morgan's Last Love
Sandra Nettelbeck – 2013
Matthew Morgan war früher einmal Philosophieprofessor und als solcher natürlich entsprechend lebensfremd. Das merkt man schon alleine daran, dass der Mann nach wie vor kein Französisch spricht, obwohl er schon einige Jahre in Paris lebt. Selbst drei Jahre nach dem Tod seiner Frau, als die eigentliche Handlung des Filmes einsetzt, stolpert dieser Mann noch mehr oder minder unbeholfen durch die Stadt, in der er einfach nicht so richtig heimisch werden will, was unter anderem dazu führt, dass er wegen seiner mangelnden Französischkenntnisse an einem Imbissstand von den Verkäuferinnen aufgezogen wird. Auch sonst ist Matthew weitgehend sprachlos und in sich verschlossen – mit seinen Kindern, die in den USA leben, hegt er nur noch gelegentlichen telefonischen Kontakt und interessiert sich herzlich wenig für deren Belange.
Das alles ändert sich erst, als er zufällig in einem Bus der um viele Jahre jüngeren Tanzlehrerin Pauline begegnet. Und ausgerechnet mit ihr, die wahrscheinlich viel eher seine Enkelin als seine Tochter sein könnte, entdeckt er ganz zaghaft, dass das Leben noch sehr viel mehr zu bieten hat als Einsamkeit und Trauer, während sie, die früh ihre Eltern verlor, in ihm offensichtlich eine Kompensation für ein nie gekanntes familiäres Glück findet. Das alles ändert sich allerdings jäh, als Matthews Kinder Miles und Karen auftauchen und mehr als irritiert sind über die junge Frau, die es bestimmt (so die Meinung der Kinder) auf das Erbe des alten Mannes abgesehen haben muss...
Sprache: Deutsch
Untertitel:
Dauer: 156 Min.
FSK 6
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Et si on vivait tous ensemble?
(Und wenn wir alle zusammenziehen?)
Stéphane Robelin
Fünf langjährige Freunde, fünd Charakteren, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Claude: der ewige Liebhaber. Annie und Jean: sie bürgerlich und angepasst, er immer noch politischer Aktivist. Und Jeanne und Albert: die Feministin und der Bonvivant. Trotz aller Gebrechen und Tücken, die mit dem Alter einhergehen, fühlen sie sich eigentlich immernoch vital, voller Energie.
Um dem Altersheim zu entgehen, entwickeln sie einen kühnen Plan. Sie werden zusammenziehen und unter einem Dach gemeinsam den Rest ihres Lebens verbringen. Um das Miteinander in der Wohngemeinschaft leichter zu gestalten, heuert Jeanne den jungen Student Dirk an, dessen Anwesenheit verborgene Wünsche und bislang streng geütete Geheimnisse an den Tag bringt.
Sprache: Französisch/Deutsch
Untertitel: Deutsch
Dauer: 96 Min.
FSK 10+
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Kleine wahre Lügen
(Les petits mouchoirs)
Guillaume Canet – 2011
Er ist nicht mehr ganz jung, dieser Ludo, er bewegt sich durch den Nachtclub mit der ruhigen Sicherheit jener, die dort öfter unterwegs sind; die ihm gerade erst vorgestellte Freundin eines Bekannten küsst er ungefragt auf den Mund, und nachher freut er sich über den gelungenen Coup. Aber dann ist es, als ob ihn eine Erinnerung, ein Gedanke trifft und Traurigkeit überfällt; vielleicht war es auch einfach nur ein Schluck, ein Glas zu viel. Er greift seinen Helm aus der Garderobe und fährt dann auf seinem Motorroller in den Pariser Morgen hinein, über die Seine – bis er plötzlich von einem Lastwagen gerammt wird.
Das ist ein echter Schock – nicht nur deshalb, weil die ganze erste Szene bis zum Unfall in einer einzigen, anscheinend ungeschnittenen Aufnahme gezeigt wird, sondern auch weil sich in Jean Dujardins – Ludos – Gesichtszügen eine Ahnung von Midlife Crisis, von mühsam aufrecht erhaltener Fassade, von Lebenslügen eben ahnen ließ: Da steckte schon eine ganze Geschichte nur in den kurzen Momenten, bevor er den Helm aufgesetzt hatte. So wird sein Unfall nun zum Anfangs- und letztlich auch Kulminationspunkt der Geschichte seiner Freunde, die bald in identisch aussehenden blauen Papieranzügen vor seinem Krankenbett stehen. Danach fahren sie alle – mit Partnerinnen, mit Kindern – gemeinsam auch dieses Jahr wieder ans Meer, obwohl Ludo nicht dabei sein kann – in zwei Wochen wollen sie wiederkommen, wenn es ihm besser geht und er ihre Besuche auch mitbekommt. Canet montiert das gekonnt, die Szenen unbeschwerten Urlaubens, aus denen deutlich wird, wie vertraut sie alle miteinander sind, mit viel Herzlichkeit und gelegentlichem Foppen – und dann die Momente, in denen sich die Risse aufzeigen, zwischen den Freunden, aber mehr noch im Selbstbild der einzelnen...
Sprache: Deutsch/Französisch
Untertitel: Deutsch
Dauer: 148 Min.
FSK 12+